Kleine Krebse krabbeln durch die Stadt

Agenda-Forum – Visionen vom offengelegten Darmbach – Spielereien mit den „Feinstaub“-Gespenstern

VON ALEXANDRA WELSCH

Ein Papierschiffchen geht auf Reisen. Zu den Klängen von Griegs „Peer-Gynt-Suite“ schippert es betulich den Bach entlang, streift auf seinem Weg in die Innenstadt Wiesen, Büsche und Bäume, lässt sich von spielenden Kindern mit Stöcken vorantreiben – und steuert unentrinnbar auf sein Unheil zu: Die Geigen heben bedrohlich an, die Strömung nimmt zu, das Schiffchen verschwindet hinter Gittern in der dunklen Kanalisation. Ende.

Der Kurzfilm zur Darmbach-Thematik war Teil der Ausstellung beim Agenda-Forum, das am Samstag fünf Stunden lang im „Offenen Haus“ der Kirche in der Rheinstraße tagte. Das Leitthema lautete „Wasser“ mit besonderem Schwerpunkt auf die von der Lokalen Agenda geforderte und von der Stadt geplante Renaturierung des Darmbachs.

Sabine Malsy von der Agenda-Gruppe „Wasser“ nannte mehrere Gründe, die dafür sprechen, den unterhalb der Stadt in der Kanalisation verlaufenden Bach aus der Versenkung zu holen. Durch die Entkopplung vom Kanalnetz würde die Stadt 2,2 Millionen Euro im Jahr an Abwassergebühren sparen, die sie derzeit für die Klärung sauberen Darmbachwassers ausgibt.
„Das bringt eine enorme Steigerung der Lebensqualität“, befand Malsy: Der Bach würde entlang der Stadtmauer durch einen kleinen Teich am ursprünglichen Ort des kleinen Woogs und längs der Bachgasse seinem historischen Verlauf folgen und sich schließlich durch den Herrngarten schlängeln, wo er in den Teich mündet. Das Leitungswasser, mit dem dieser derzeit gespeist wird, könnte die Stadt dann ebenfalls sparen. Kostenpunkt: 20 000 Euro jährlich.

Welches Getier nach der Offenlegung im Darmbach erwartet wird, konnten sich Besucher der Ausstellung in Aquarien anschauen. Dort krabbelten Bachflurkrebse über Kies oder schwammen Stichling, Bachschmerle und Gründling im Wasser. „Das Agenda-Büro steht unter Volldampf“, lobte Umweltdezernent Klaus Feuchtinger das Engagement der Bürger, das immer wieder in städtische Projekte mündet. „Es hat sich im Laufe dieses Jahres zu einer kreativen Ideenschmiede entwickelt.“

Jens Bolze, seit September 2004 Leiter des koordinierenden Büros, erläuterte, woran das liegt: Statt wie bisher viel Geld für externe Berater auszugeben, habe man den Gruppen Budgets in die Hand gegeben. „Sie müssen Verantwortung bekommen und in Eigenregie aktiv werden können.“ Bolzes stolze Bilanz der Aktivitäten: Umweltbörse, Umweltdiplom, Solarstadtplan, Jugendstadtplan, Ernährungsaktionen in Schulen oder das Engagement gegen Kinderarbeit, das in einem Magistratsbeschluss mündete.

Nächster Punkt: Feinstaub. Eine Horde schwarz gewandeter Kinder mit weißen Masken entert den Vortragssaal. „Oh Gott, die Feinstaubgespenster sind da, die machen krank“, ruft Brigitte Martin und drückt dem Umweltdezernenten ein kleines Küchensieb in die Hand. Er rennt durch den Raum, doch die Jagd nach den Geistern zeigt wenig Erfolg. Martins Fazit: „Solche kleinen Maßnahmen reichen nicht aus, um den Gespenstern Herr zu werden.“ Die Agenda-Aktivistin betont, dass man dem Problem mit Rußfiltern oder gesperrten Straßen allein nicht Herr werde. „

Der Aktionsplan taugt vielleicht, um Spitzen abzubauen“, räumt sie ein. „Aber auf Dauer hilft nur weniger Verkehr und die Verlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel.“ Die Problematik mit Experten und Bürgern ausführlich diskutieren will die Agenda-Gruppe bei einer Informationsveranstaltung am kommenden Samstag (12.) von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr in der Turnhalle des Ludwig-Georgs-Gymnasiums. Titel: „Fein aus dem Staub: Krank durch Verkehr!“

Kontakt: Die Gruppe ist im Internet unter „www.agenda21.darmstadt.de“ zu finden.

 

Quelle: 07.11.05 Darmstädter Echo